Problem erkannt, Gefahr gebannt?

Der Schuldenschnitt in Griechenland dürfte wohl jedem vor Augen geführt haben, dass Staatsanleihen nicht per se sicher sind. Ob man es glaubt oder nicht, auch mit Staatsanleihen kann man Geld verlieren. Diese Erkenntnis ist an den Märkten schon lange angekommen und spiegelt sich in den steigenden Renditen portugiesischer, spanischer oder italienischer Anleihen wider. Die von Politikern gerne getroffene Aussage, dass europäische Anleihen sicher seien, ist da eher als Pfeifen im Walde und nicht als fundamentale Analyse zu verstehen. Es gibt aber immer noch zwei „Institutionen“, die an die unbedingte Ausfallsicherheit europäischer Staatsanleihen glauben:

Zum einen gibt es da die Europäische Zentralbank. Italienische wie auch portugiesische Anleihen sind dort als Sicherheit immer noch gerne willkommen. Man ist dort so unabhängig, dass man sogar vor den Märkten die Augen verschließen darf. Allerdings befindet sich die EZB in einer Zwickmühle, da eine adäquate Reaktion auf dieses Problem das Problem noch weiter vertiefen würde. Falls die EZB portugiesische Anleihen nur noch zu 50% des Wertes als Sicherheit in ihre Bücher nähme, stünde den portugiesischen Banken weniger Liquidität zur Verfügung und die Krise im Lande würde sich weiter verschärfen. Das ist zwar traurig, aber wohl unabwendbar und nur so kann der Markt als Disziplinierungsinstrument funktionieren. Dass die EZB das Mandat hat, einzelne Volkswirtschaften zu stimulieren ist mir jedenfalls bis dato noch nicht bekannt.

Die zweite leichtgläubige „Institution“ ist jedoch mindestens genauso interessant, wenn auch weniger bekannt. Es handelt sich hierbei um den Regulierer. Anhand von Solvency II, dem unter der Ägide der EU ausgearbeiteten Regulierungspaket für europäische Versicherer, soll dies dargestellt werden:

Um Versicherte zukünftig vor den Verwerfungen einer Finanzkrise zu schützen, muss jede Versicherung ihre Finanzinvestitionen mit Eigenkapital hinterlegen. Je riskanter die Investition, desto höher der Prozentsatz der Hinterlegung. Grundgedanke dieser Forderung ist, dass die Aktionäre der Versicherung an potentiellen zukünftigen Verlusten beteiligt werden sollen. Je riskanter das Investment, desto höher die implizite Haftung der Aktionäre. Für eine Investition von 100 Euro in Aktien eines Unternehmens des Europäischen Wirtschaftsraumes oder eines OECD-Landes muss die Versicherung ca. 39 Euro als Risikokapital hinterlegen, bei Investitionen in Hedge-Fonds sogar 49 Euro. Wenn die Versicherung allerdings EUR 100 in Staatsanleihen eines OECD-Landes (Portugal, Italien, Spanien und eigentlich gehört auch noch Griechenland dazu) investiert, wird diese Investition als sicher eingestuft und – man höre und staune – es muss nicht ein Cent dafür hinterlegt werden. Mit anderen Worten, der Versicherte trägt das volle Risiko.

Die Ziele der Regulierung werden durch solche Vorgaben ins Gegenteil verkehrt, verleiten sie doch Versicherungen in riskantere, höhere verzinsliche Staatspapiere zu investieren. Sehenden Auges kreiert der Regulierer ein systematisches Risiko. Um Versicherungen auch in Zukunft sicher zu machen, muss dies schnellstens geändert werden. Aber auch hier befindet man sich in einem Teufelskreis. Versicherungen aus schwachen Ländern, deren Bilanzen mit heimischen Staatsanleihen vollgesogen sind, wären im Grenzfall unterkapitalisiert und müssten neues Kapital aufnehmen oder würden gar von der Bildfläche verschwinden. Durch strenge Vorgaben an die Versicherungswirtschaft würde den schwächeren Ländern im Zweifel einer der wichtigsten Investoren in heimische Staatsanleihen abhandenkommen, die Finanzierung würde sich erschweren, die Risiken und die damit erforderliche Eigenkapitalhinterlegung würden weiter steigen. Es ist daher zu erwarten, dass sich die Politiker und die Versicherungslobbyisten mit Händen und Füßen gegen eine strengere Regulierung zur Wehr setzen werden. Das Problem ist also erkannt, ob es damit schon gebannt ist, wage ich zu bezweifeln.