Verständnisprobleme bei der Zinsobergrenze

Laut Spiegel Online plant die Europäische Zentralbank (EZB) allen Ernstes so etwas wie eine Zinsobergrenze für Krisenländer einzuführen. Die EZB würde demnach für die einzelnen Krisenländer eine Zinsobergrenze festlegen und immer dann mit Staatsanleihekäufen auf dem Markt intervenieren, wenn die Zinsen, die diese Länder zu zahlen haben, über die festgelegte Grenze zu steigen drohen.

Das wirft natürlich einige interessante Grundsatzfragen auf:

  1. Ermittlung der Zinsobergrenze – Wenn ein Marktpreis auch nicht immer der perfekte Preis sein mag, er ist doch der beste Näherungswert, den wir haben. Mich würde daher interessieren, wie diese Zinsobergrenze genau aussieht und welche Methoden zu deren Ermittlung herangezogen werden sollen. Diese Methoden könnte man dann auch zukünftig gleich im Grundstudium BWL und VWL lehren und würde den Studenten somit die langweilige Auseinandersetzung mit den Märkten und dem “Korrektiv des Marktes” ersparen.
  2. Paradoxon der Unabhängigkeit und der Glaubwürdigkeit – Die EZB steht vor den Problem, dass sie nur dann glaubwürdig bleibt, wenn sie automatisch auf den Märkten interveniert, sobald die Zinsen eines Landes über die vorher festgelegte Zinsobergrenze steigen. Ein automatisches Handeln lässt sich aber schwerlich mit der Forderung nach Unabhängigkeit vereinbaren. Umgekehrt würde eine fallweise Intervention auf den Märkten die Glaubwürdigkeit der Zinsobergrenze unterminieren. Wie also kann eine automatisch handelnde Zentralbank unabhängig bleiben?
  3. Zinsobergrenze und direkte Staatsfinanzierung – Eine Zinsobergrenze besagt nichts anderes, als dass die EZB in die direkte Staatsfinanzierung einsteigt, was ihr vom Mandat her verboten ist. Ein Staat kann theoretisch ein unbegrenztes Volumen an Anleihen auf den Markt werfen. Bis zur Zinsobergrenze wird dies von den freien Märkten finanziert, aber sobald der Zins die festgelegte Schwelle erreicht, muss die EZB die Defizite finanzieren. Wenn dies nicht der Fall wäre, wäre auch die Zinsobergrenze obsolet, da nicht glaubwürdig. Wie kann also trotz der Zinsobergrenze die direkte Staatsfinanzierung vermieden werden?
  4. Zinsobergrenze und Unabhängigkeit von politischer Einflussnahme – Um den Vorwurf der direkten Staatsfinanzierung (siehe 3) zu umschiffen, wird die EZB wohl fordern, dass ein betroffenen Land erst ein offizielles Hilfsersuchen beim ESM gestellt und sich gewissen Auflagen unterworfen hat. Damit macht sich die EZB aber von den Kriterien des ESM abhängig. Wie politisch dehnbar die Frage ist, ob Auflagen eingehalten worden sind oder nicht, sieht man derzeit an Griechenland. Es ist fraglich wie unabhängig die EZB dann noch sein wird und ob sie es wagen würde ihre Interventionen entgegen einem anderslautenden Votum des ESM einzustellen. Wie kann also die EZB von den Entscheidungen des ESM unabhängig agieren, wenn sie dessen Einbindung fordert?
  5. Zinsobergrenze und Moral Hazard – Besonders unschön wird die Situation für die EZB, wenn sich ein Land anfangs an vereinbarte Sparauflagen hält und die EZB dafür im Gegenzug an den Märkten zu dessen Gunsten interveniert. Umso mehr Staatsanleihen dieses Landes von der EZB gehalten werden, desto höher ist der Anreiz der EZB dieses Land nicht fallen zu lassen, da ansonsten die Bilanzverluste beträchtlich wären (siehe Griechenland). Wie also will die EZB verhindern erpressbar gemacht zu werden?

Um die Zinsobergrenze besser zu verstehen, wäre mir schon geholfen, wenn man mir diese fünf Fragen beantworten würde. So wie es sich mir derzeit darstellt, ist die Einführung einer Zinsobergrenze nämlich der Einstieg in die direkte Staatsfinanzierung bei der sich die EZB auch noch implizit von politischen Vorgaben abhängig macht und ist vom Mandat nicht gedeckt (siehe: Ökonomen verteufeln Zinsobergrenze durch die EZB). Aber ich lasse mich auch gerne vom Gegenteil überzeugen.

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