Chili in Brüssel

Wenn ich mich rückblickend frage, was der Krisengipfel der Europäischen Union eigentlich gebracht hat, muss ich feststellen, dass meine eh geringen Erwartungen sogar noch enttäuscht wurden.
Eine alte Idee, der Stabilitätspakt, wurde aus der Truhe des Vergessens gezogen und der Welt als neuer Lösungsvorschlag präsentiert. Im Gegensatz zu Chili con Carne werden politische Ideen durch mehrmaliges Aufwärmen aber leider nicht besser.

Was soll ein solcher neuer Vertrag bringen? Überraschenderweise können Regierungen, die solide wirtschaften wollen, dies sogar heute schon tun. Auch hindert niemand ein Land daran, das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts bereits heute in seine Verfassung zu schreiben. Ein internationaler Vertag, vor allem wenn dieser mit quasiautomatischen Strafsanktionen verbunden ist, könnte für die Europäische Idee sogar gefährlich sein. Zu leicht könnten sich Regierungen für teure Sozialprogramme und niedrige Steuern zuhause feiern lassen, bei Sanktionen allerdings Brüssel als Schuldigen präsentieren.Die ursprüngliche Konstruktion der Währungsunion ist diesem neuen Konstrukt deutlich vorzuziehen. Handeln und die daraus resultierende Verantwortung dürfen nicht auseinandergerissen werden. Wähler und Politiker der einzelnen Länder haben Entscheidungen getroffen, wofür sie nunmehr auch die Verantwortung übernehmen müssen. Die non-bail-out Klausel hätte nie auch nur in Frage gestellt werden dürfen.

Das war aber noch nicht alles. Auch der Status der privaten Gläubiger hat sich durch den Gipfel verändert. Wer kommt den bitte auf die Idee, auszuschließen, dass sich private Gläubiger am Risiko ihrer Investitionen beteiligen müssen? Entweder ist dies ein leeres Versprechen, was ich hoffe, oder es wird implizit eine Haftungsgemeinschaft aller Länder gegründet. Was soll den passieren, wenn der GAU eintritt und ein Land seine Altschulden am Markt nicht mehr refinanzieren kann? Wenn ausgeschlossen wird, dass private Investoren in einer solchen Situation Geld verlieren, bedeutet das nur, dass die Steuerzahler anderer Länder für die Ausfälle haften. Wenn dies tatsächlich der Fall ist, können wir aber die Diskussion um einen Stabilitätspakt oder Eurobonds getrost vergessen, da ja bereits eine Haftungsgemeinschaft begründet wurde.

Die Rolle der Notenbanken und der verschiedenen Stützungsfonds wurde zwar eingehend diskutiert, aber Details zu weiteren Schritten waren nicht zu erfahren. Der ESM wird jetzt zwar ein Jahr vorgezogen, allerdings scheinen nunmehr auch die größten Optimisten begriffen zu haben, dass die beschlossenen Rettungsschirme niemals ausreichen werden, Staaten wie Italien oder Spanien über einen längeren Zeitraum hinweg zu stützen. Verschärft wird die Situation dadurch, dass die „Hebelung“ des bereits existierenden Rettungsschirms nicht so recht zu funktionieren scheint. Vor diesem Hintergrund ist es umso fragwürdiger, wenn nunmehr die Idee diskutiert wird, den IWF als Hehler zwischen die nationalen Notenbanken und die Nationalstaaten zu schalten. Nur wenn alle IWF Mitglieder ihre Quoten erhöhen und der IWF sich entscheidet, Europäischen Ländern unter strenger Aufsicht Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, ist eine Transfer von Zentralbankgeld an den IWF statthaft. Wenn der IWF jedoch nur als Briefkastenfirma missbraucht wird, um europäisches Notenbankgeld direkt an europäische Staaten weiterzuleiten, ist dies mit einer verbotenen Staatsfinanzierung gleichzusetzten. Auch das von den Politikern so erhoffte, verstärkte Eingreifen der EZB auf dem Sekundärmarkt für Staatsanleihen, welches schon gegenwärtig höchst fragwürdig ist, würde ich in dieselbe Schublade stecken.

So bleibt eigentlich nur zu sagen, dass die einzige wirkliche entscheidende Änderung, die der Gipfel mit sich brachte, die selbstgewählte Isolation Großbritanniens innerhalb Europas ist. Ob dies zu den gewünschten Ergebnissen des Gipfels gehört, wage ich zu bezweifeln.