Jubel auf der Beerdigung der Bundesbank – Draghi erhält die Nukleare Option

Mario Draghi hat das geliefert, was die Märkte von ihm erwartet haben. Er hat die Beerdigungsfeier der Bundesbank in eine riesige Party verwandelt.
Die Ankündigung eines Programms zum unbegrenzten Aufkauf von Staatsanleihen (OTM) hat die Renditen der Staatsanleihen der Peripherieländer sofort zum Fallen gebracht und damit schon einen kurzfristigen Erfolg erzielt. Aufgabe dieses Programms ist es, den Investoren Gewissheit über das Weiterbestehen der Eurozone zu geben und sie somit davon abzubringen, von den Peripherieländern weiterhin einen „irrationalen Angstaufschlag“ zu fordern. Ohne diesen Angstaufschlag seien die normalen Marktbedingungen wieder hergestellt und die Geldpolitik der EZB könnte wieder Wirkung entfalten, war derzeit nicht der Fall sei.

Die Begründung für das Anleihekaufprogramm klingt zwar auf den ersten Blick überzeugen, hat aber nicht nur einen, sondern gleich mehrere Haken.

Die Probleme

  • Wie bestimmt die EZB den irrationalen Angstaufschlag, den es zu beseitigen gibt? Weshalb kann sie den Wert einer Staatsanleihe besser einschätzen als alle anderen Marktteilnehmer?
  • Wenn nur ein Marktversagen vorliegt, weshalb knüpft die EZB ihr Aufkaufprogramm dann an Bedingungen? Damit kommt sie zwar der deutschen Auffassung entgegen, dass es keine Leistung ohne Gegenleistung geben dürfe, aber implizit gibt sie damit auch zu, dass die betroffenen Staaten Strukturprobleme haben, die es zu lösen gilt. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Wenn es nur um Geldpolitik ginge, wäre eine Konditionalität nicht notwendig, aber es geht eben auch um Finanz- und Strukturpolitik, wo die EZB eigentlich nichts zu suchen hat.
  • Da dem Ankauf von Staatsanleihen ein Hilfsersuchen des Staates an den EFSF/ESM vorausgehen muss und die Bedingungen dieses Hilfsprogramms eingehalten werden müssen, stellt sich natürlich die Frage, wie die Bedingungen festgelegt werden, wer sie überprüft und wie bei einem Fehlverhalten zu entscheiden ist. Dies stellt die Unabhängigkeit der EZB vollends zur Disposition und macht die Geldpolitik zumindest indirekt abhängig von politischen Entscheidungen, die in anderen Gremien ausgehandelt und bewertet werden.
  • Der größte Haken an diesem Programm ist aber die „Nukleare Option“ die der EZB damit in die Hand gegeben wird. Wenn sie sich einmal zum Aufkauf von Staatsanleihen entschieden hat, wird sie unabhängig davon, ob sich ein Land an die vereinbarten Auflagen hält oder nicht, nie wieder damit aufhören können. Sie würde ansonsten einen Staatsbankrott und ein Auseinanderfallen der Währungsunion verursachen und vom Helfer zum Täter werden. Das Erpressungspotential der Länder ist unbegrenzt, da die EZB nur noch mit Selbstmord drohen kann.

Abgesehen von diesen Punkten, gibt es natürlich noch andere Kritikpunkte wie z.B. die Aufgabe des vorrangigen Gläubigerstatus, die ich an dieser Stelle aber nicht vertiefen möchte (siehe hierzu z.B. die Ökonomenstimme, die zurecht darauf hinweist, dass Draghi eine solche Pari Passu Regel beim griechischen Schuldenschnitt noch verweigert hatte.)

Abschied von den Prinzipien der Bundesbank

Bisher ist die Reaktion der Märkte auf die Ankündigung des Programms positiv. Sobald aber mit dem Programm begonnen wird, gibt es vor allem bei den größeren Euromitgliedern wie Spanien und Italien keinen Weg zurück. Bei Griechenland sehen wir bereits, wie die Politik zögert, auf die Einhaltung der vereinbarten Bedingungen zu bestehen. Es ist nicht zu erwarten, dass die Gemeinschaft gegen größere Länder entschiedener vorgeht. Der IWF wird in den Programmen immer mehr an den Rand gedrängt werden und wird wohl bald nur noch eine beratende Funktion einnehmen. Dem politischen Klüngelspiel, bei dem die Geberländer in der Minderheit sind, sind damit alle Tore geöffnet.
Es ist zu erwarten, dass dies der Einstieg in einen langfristige Staatsfinanzierung durch die Notenbank und einen klare Abwendung von den Traditionen der Bundesbank ist. Auch andere Blogger, wie z.B. der Wirtschaftsphilosoph, sehen diese Entwicklung mit Sorge.

Die Bundesregierung als Zauberlehrling

Dass die Bundesregierung schon wieder eine „flexible“ Auslegung der Europäischen Verträge befürwortet und vertragswidriges Verhalten mit der Unabhängigkeit der Akteure begründet ist verantwortungslos. Indem man das Heft des Handelns der EZB in die Hand drückt, kann man sich zwar vor unangenehmen Parlamentsdebatten drücken und die Mach des Parlaments aushebeln, man sollte aber auch bedenken, dass man der EZB diese Macht in Zukunft nicht einfach wieder nehmen kann. Frank Lübberding bezeichnet die bisherige Praxis wie die Bundesregierung die Krise handhabt daher treffend als „schleichendes Gift zur Delegitimierung unserer Verfassungsordnung“.
In Zukunft wird ein Komitee von 23 nicht demokratisch legimitierten Beteiligten über die Finanzierungsbedingungen der Mitgliedsstaaten bestimmen. Der Zauberlehrling wird den Besen nicht einfach wieder zurückverwandeln können. Die einzige Hoffnung die bleibt, ist dass das Bundesverfassungsgericht dem Besen nächsten Mittwoch Einhalt gebietet. Ansonsten wird uns das Wasser schon bald bis zum Halse stehen.