Der Fall Schavan – Anforderungen an eine Promotion

Um es vorauszuschicken, dies wird weder eine Verdammung noch eine Heiligsprechung von Frau Schavan. Der Artikel hat eigentlich gar nichts mit ihr zu tun, sondern sie ist nur der Anlass dafür, dass ich mir einige Gedanken darüber gemacht habe, wie derzeit in den Medien wieder einmal mit dem Thema Doktorarbeit umgegangen wird.

Die Lebensleistung und die Doktorarbeit

Die Frage, ob eine Doktorarbeit den notwendigen Erfordernissen entspricht und die Einschätzung der Lebensleistung haben überhaupt nichts miteinander zu tun. Selbst Albert Schweitzer hätte nach meiner Auffassung seinen Titel zurückgeben müssen, wenn er seine Doktorarbeit abgeschrieben hätte. Trotzdem bleibt seine Lebensleistung wohl unbestritten. Auch bei Schavan sollte so gehandelt werden. Die Frage nach der Doktorarbeit darf nicht mit der politischen und wissenschaftlichen Karriere verquickt werden. Wenn die Anforderungen an eine Doktorarbeit nicht erfüllt worden sein sollten, muss der Titel zurückgenommen werden. Erst in einem zweiten Schritt kann dann entschieden werden, ob man daraus weitere Konsequenzen fordert.

Die eigenständige wissenschaftliche Leistung, die Täuschungsabsicht und die lästigen Formalien

Gerne wird in den Diskussionen vorgebracht, dass zwar einige Zitate und fremde Gedanken nicht als solche gekennzeichnet worden waren, dies aber ohne Täuschungsabsicht geschah und die Arbeit dennoch eine eigene wissenschaftliche Leistung darstellt, welche die Titelvergabe rechtfertigt.

Das klingt erstmal sehr gut, da der Doktortitel ja für eine selbständige und eigenständige wissenschaftliche Arbeit vergeben werden sollte. Das Problem hierbei ist, dass der Leser der Arbeit auch erkennen muss, welcher Teil der Arbeit diese eingenständige wissenschafliche Leistung darstellt. Genau dafür gibt es auch die lästigen Zitierrichtlinien. Zitate stellen eben nicht nur einen “Sevice für den Leser” dar, sondern sind unabdingbar, um die Gedanken des Verfassers von den Ausführungen und Gedanken anderer abzugrenzen.

Wenn man nicht weiss, wo jemand abgesprungen ist, weiss man auch nicht wie weit er gesprungen ist, selbst wenn man neben dem Landepunkt gestanden hat. Ob die Abgrenzung der eigenen von den fremden Gedankengängen absichtlich, aufgrund von Dummheit oder einfach aus Schlamperei vergessen wurde ist dabei unerheblich. Die Anforderungen an eine wissenschaftliche Arbeit wurden einfach nicht eingehalten. Wenn ich erst ein zusätzliches Sondergutachten benötige, um erkennen zu können, was die Eigenleistung des Autors ist, hat dieser die Anforderungen an eine Doktorarbeit einfach nicht erfüllt. Dasselbe gilt natürlich, wenn überhaupt keine eigenständige Leistung erbracht wurde. Auch dann sollte der Titel entzogen werden.

So leid es mir tut, aber für mich gehören genau bei einer wissenschaftlichen Arbeit die Form und der Inhalt zusammen. Für mich ist es zwar wesentlich schlimmer, wenn man keine eigenständige Leistung erbringt und einfach kopiert, als wenn man seine Leistung nicht genau genug abgrenzt, aber wenn diese Fehlabgrenzung nicht ein singuläres Versehen ist, sondern systematisch erfolgte, sollten die Folgen dieselben sein. Auf eine Täuschungsabsicht kommt es dabei nicht an.

Abschlussbetrachtung

Wie gesagt, dieser Artikel soll nicht die Frage beantworten, ob Frau Schavan ihren Titel behalten darf oder nicht. Hierfür fehlen mir einfach die Daten und ich denke, dass diese Frage bei ihrer Universität besser aufgehoben ist. Dasselbe gilt für die Frage, ob es für die Doktorgradaberkennung so etwas wie eine Verjährung geben sollte oder nicht. Auch diese Frage ist bei anderen Stellen besser aufgehoben.

Meiner Meinung nach kann man die Beurteilung einer wissenschaftlichen Leistung nicht vornehmen, wenn man nicht erkennen kann was diese Leistung überhaupt ist. Dies gilt unabhängig von der Zeit und auch dem Fach, in dem die Arbeit verfasst worden ist.

3 thoughts on “Der Fall Schavan – Anforderungen an eine Promotion”

  1. Ja, ganz Recht oder wie schon der olle Hegel lakonisch meinte:

    DIE FORM KANN NUR DIE FORM DES INHALTS SEIN …

  2. “Die Frage, ob eine Doktorarbeit den notwendigen Erfordernissen entspricht[,] und die Einschätzung der Lebensleistung haben überhaupt nichts miteinander zu tun.” Das hängt doch ganz entscheidend von der Lebensleistung (und auch der Art der Abweichung von den Erfordernissen einer Doktorarbeit) ab. Als Bildungs- und Wissenschaftsministerin ist Frau Schavan mit einer wissenschaftlichen Arbeit voller Plagiate untragbar.

    Das Problem bei Plagiaten ist nicht vorrangig, dass die eigenständige wissenschaftliche Leistung nicht zu erkennen wäre. Häufig ist sie es auch ohne Plagiate nicht, vielleicht gibt es umgekehrt tatsächlich gelegentlich Arbeiten mit Plagiaten, die anderswo echte wissenschaftliche Leistungen enthalten. Das macht den akademischen Betrug jedoch nicht ungeschehen.

    “Ob die Abgrenzung der eigenen von den fremden Gedankengängen absichtlich, aufgrund von Dummheit oder einfach aus Schlamperei vergessen wurde[,] ist dabei unerheblich. Die Anforderungen an eine wissenschaftliche Arbeit wurden einfach nicht eingehalten.” Das ist richtig. Auf die persönlichen Gedanken beim Plagiieren kommt es nicht an. Wer mit zu viel Alkohol am Steuer erwischt wird, kann sich auch nicht damit herausreden, es sei keine Absicht gewesen, sondern aus Trunkenheit passiert.

    “Meiner Meinung nach kann man die Beurteilung einer wissenschaftlichen Leistung nicht vornehmen, wenn man nicht erkennen kann[,] was diese Leistung überhaupt ist. Dies gilt unabhängig von der Zeit und auch dem Fach, in dem die Arbeit verfasst worden ist.” Ein Plagiat kann man unabhängig von Zeit und Fach erkennen (wobei es vielleicht nicht mehr schlimm ist, wenn man Jahrhunderte zurückgeht und es seinerzeit dem Standard entsprach). Für wissenschaftliche Leistungen trifft das so nicht zu. Als Ökonom kann ich theologische Arbeiten fachlich nicht wirklich beurteilen (und als Philosoph kann ich sogar bezweifeln, ob Theologie eine richtige Wissenschaft ist) und nach drei Jahrzehnten können vermutlich selbst Theologen nicht mehr genau sagen, welche Erkenntnisse seinerzeit neu waren.

    1. “Ein Plagiat kann man unabhängig von Zeit und Fach erkennen….Für wissenschaftliche Leistungen trifft das so nicht zu.”: Mit der Aussage stimme ich vollständig überein. Genau deshalb ist es wichtig, dass schon bei der ersten Durchsicht der Arbeit Wert darauf gelegt wird, dass die Formvorschriften auch eingehalten wurden. Eine Überdehnung der Grenzen zugunsten der Doktoranden lehne ich ab. Das würde nur die Standards verwässern.

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